Beschreibung
Ausgehend von der antiken vitia-Lehre, die im Hinblick auf sprachlich-grammatische Abweichungen unterscheidet zwischen dem Barbarismus als Verstoß am Einzelwort (Laute, Silben, Graphie) und dem Solözismus als Verstoß in Wortverbindungen (Wortarten, Satzbau), wird vor dem Hintergrund des humanistischen Erbes der Fortgang dieser Typologie in etwa 30 volkssprachlichen Grammatiken des frühneuzeitlichen Italiens untersucht. Dabei wird die Spur einer Tradition sprachlicher Abweichungen verfolgt, die parallel zu der in den Grammatiken vom 16. bis 19. Jahrhundert propagierten (literarischen) Norm − dem Sprachgebrauch der vorbildhaften Autoren des 14. Jahrhunderts − besteht. Die Grammatiken werden einerseits nach wörtlichen Belegen der Begriffe barbarismo und solecismo, deren Bedeutungen und Verwendungskontexten analysiert, andererseits nach Umschreibungen und anderen Bezeichnungen für das Konzept „Sprachverstoß“ sowie nach den konkreten sprachlichen Phänomenen, die als Abweichungen gelten. Die Metasprache der Grammatiker, das heißt, die Art und Weise, wie sie die verschiedenen Abweichungen einordnen, bewerten oder gar verurteilen, lässt nicht nur wiederkehrende Formulierungs- und Darstellungsmuster erkennen, sondern dient zugleich als Schlüssel zur Sprachvariation: Sie verweist auf ein breites Spektrum sprachlicher Formen verschiedenster diasystematischer Herkunft, das einen Einblick in den (alltäglichen, schichtenspezifischen, familiären) Sprachgebrauch der Frühen Neuzeit jenseits des literarischen Ideals gibt.
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